Inspiriert durch einen Artikel von „King Content“ (https://www.king-content.ch/blog/it-vertrieb-in-der-krise) habe ich mir zu dem Thema ein paar Gedanken gemacht und bin der Meinung, ich sehe das etwas anders. Das ist keine Wertung zum Artikel von King Content, auf Grund des Business-Modelles erscheint mir recht klar dass das digitale Marketing da an vorderster Front steht.
Erstaunt hat mich in erster Linie einer Zahl. Da wird als behauptet, dass mehr als die Hälfte der Kaufentscheidung bereits gemacht ist, bevor überhaupt eine Firma involviert wird. Als Beispiele werden im White Paper das man herunter laden kann Microsoft und McAfee aufgezeigt, wie toll die das machen und wie sie die digitale Strategie fortsetzen möchten.
Genau an dem Punkte möchte ich ansetzen, weil genau durch diese doch am Ende Hersteller getriebene Denkweise entstehen auch heute noch IT Lösungen, welche mehr an Patchwork als an Solution Design erinnern. In der IT Security-Branche aus meiner Sicht noch mehr als anderswo. Was passiert also. Der an sich schon mündige und gut informierte potentielle Käufer sucht sich über google Informationen zum Beispiel zu umfassenden Sicherheitslösungen. Da wird er 100 Millionen Hits kriegen und er wird einigen Links folgen und feststellen – „Lösungen“ werden ihm zu generisch serviert, da stehen keine konkreten Dinge. Also müsste er anrufen, da er sich aber noch zu wenig informiert fühlt um kompetent nachzufragen sucht er weiter – am Ende landet er auf einer Herstellerseite die ihm sagt, wie seine Aufgabenstellung zu bearbeiten ist.
Während all dieser Recherchen hat sich der potentielle Käufer immer weiter einggengt in der Sichtweise. Typisch wohl für die Online-Suche, aber doch nicht optimal. Was dabei nämlich passiert ist, dass er sich automatisch auf diese Bereich einengt die ihm am wichtigsten erscheinen. Sogar das tönt im ersten Moment noch vernünftig oder sogar richtig – ist es aber bei IT-Lösungen eben gerade nicht. Dabei passiert nämlich keine klare strategische Fokussierung, die übergeordneten Ziele verschwinden je mehr je länger die Recherchen in Anspruch nehmen.
Die optimale Lösung für eine Problemstellung ist unter Umständen in keiner Weise die einfachste oder die ideale. Oft sieht man auch, dass relativ kleine Veränderungen an bestehenden Lösungen die Sachlage im Lösungsumfeld deutlich verändern – oft auch tatsächlich verbessern – und somit die darunter liegende Lösung andere Eigenschaften benögigt.
Kleiner Exkurs für IT-ler wie ich das meine -> wenn ich die Daten zum Beispiel bereits mit Digital Rights Management sauber verwalte ist es deutlich einfacher eine DLP-Lösung zu implementieren oder wenn mein Netzwerk in saubere Zonen eingeteilt ist können die in den Zonen liegenden Server u.U. mit weniger Sicherheitsmechanismen betrieben werden als in einem flachen Netzwerk.
Irgendwann hat sich der „Kaufkandidat“ also zu einem Produkt durchgerungen und weiss nun; Das will ich haben, das löst unsere Probleme. Eine Präsentation zu Handen der Geschäftsleitung wird erstellt, ein Budget gesprochen und die nächsten Schritte geplant.
DANN greift er zum Hörer, sucht einen Vertrieb und will genau das. Nun hat er aber so was von gewonnen….nein, absolut nicht, er hat sich nämlich vom viel propagierten ganzheitlichen Lösungsansatz wieder absolut entfernt und hat sich eine Lösung auf Basis einer Technologie gesucht. Dass diese seine Probleme unter Umständen lösen kann – keine Frage – ob dies allerdings auf ideale Weise geschehen kann, das ist dann oft eher zufällig der Fall. Und noch öfter ist es einfach nicht der Fall.
Ich bin der Meinung, komplexe IT-Vorhaben können nie seriös online recherchiert werden. Ein Account Manager in der IT heute ist idealerweise ein „kompletter“ IT-Mensch mit sehr viel Erfahrung. Vielleicht braucht es oft auch ein Zweierpaket – ein „klassischer“ Account Manager und ein Solution Architekt. Es gibt Projektgrössen oder IT-Vorhaben bei denen ich als Kunde heute für die Lösungsfindung sogar im Sinne einer Vorstudie bezahlen würde. Das hätte ich früher nie gemacht.
Die Online-Verlockung ist gross und ich mache viel Gebrauch von solchen Angeboten. Das grosse Manko ist die fehlende Erfahrung. Wenn Microsoft ein Portal baut wird da wohl selten stehen, dass man einige Dinge in einem Enterprise-IT-Umfeld besser nicht mit Microsoft lösen sollte – und das gilt für alle Anbieter, MS habe ich hier nur als allen bekanntes Beispiel genannt (Microsoft ist ein Markenname).
Natürlich kann ich mein WLAN zu Hause übers Web evaluieren, ebenso mein nächstes Laptop oder mein Handy (wobei ich da schon wieder Grenzen sehe – bevor man es in der Hand gehalten hat, sollte man ja auch kein Handy kaufen – meine ich) oder einen neuen Fön, vielleicht auch einen Dampfkochtopf. Etwas komplexere Vorhaben sind richtig schwierig, grosse IT Projekte gehen gar nicht, nicht mal um punktuelle Anpassungen zu machen – zu wichtig ist das im Auge behalten des Grossen Ganzen.
Fazit: Viele IT Infrastrukturen heute sind nicht optimal. Die Technologie ist sehr schnell voran geschritten und viele Fancy Sachen wurde gemacht ohne die Sicht auf das Ganz zu behalten. Dies dann wieder aufzudröseln ist ein riesiger Aufwand und eine risikoreiche Übung für ein Unternehmen. Deshalb sollten alle auf die Expertise von Menschen vertrauen. Diese Menschen zu finden ist aber sehr schwierig, wenn ich mit Menschen von Cisco (wieder ein zufällig gewählter Markenname spreche) werde ich nicht darüber informiert werden, dass für meine Ansprüche andere Anbieter idealer wären. Die Neutralität muss gegeben sein – ob es diese wirklich in Reinkultur noch gibt vage ich aber zu bezweifeln.