Mit zwei schulpflichtigen Mädels zu Hause war ich lange Zeit der Meinung, Lehrer haben es schwer. Nach etwas überlegen und einigen Hinweisen von Dritten bin ich zu einer anderen Überzeugung gelangt. Lehrer haben es nicht schwerer als andere Berufe, sondern ganz einfach andere Herausforderungen die es zu meistern gilt. Und genau dazu werden sie ausgebildet und im Idealfall ist es genau die Herausforderung, die sie beruflich gesucht haben. Lehrer wird man wahrscheinlich eher nicht „aus Versehen“ wie dies bei dem ein oder anderen kaufmännischen Mitarbeiter der Fall ist.
Als Lehrer bin ich beauftragt, dass die Schüler einem Plan folgend Dinge lernen und verstehen. Nun steckt grundsätzlich in lernen eine etwas spezielle Herausforderung. Nicht alle Menschen lernen gleich schnell, nicht alle lernen in derselben Qualität und einige lernen schon mal überhaupt nicht gerne.
Aber ist diese Herausforderung wirklich eine andere als in anderen Berufen? Nein, nicht wirklich. In jedem Beruf gibt es Menschen – dort sind es dann halt Mitarbeitende und nicht mehr Lernende – die schneller, besser oder interessierter sind. Auch mit denen gilt es, mit jedem einzelnen einen Weg zu finden. Klar, diese Mitarbeitenden sind meist nicht in der Pubertät und haben somit so oder so bereits schwierige persönliche Aufgaben zu meistern. Aber auch dort gibt es Menschen, die in privaten Situationen stecken welche die Motivation mindern.
Der einzige aus meiner Sicht echte Unterschied bleibt somit die Tatsache, dass die Schüler eben „müssen“ und nicht „dürfen“. Eine totale Fehleinschätzung von Schülern nebenbei, das was Schüler in Europa lernen sollten diese definitiv als ein „dürfen“ aufnehmen – viele Menschen auf der Welt haben diese Privilegien nicht, dürfen nicht oder nur rudimentär lernen. Ich glaube, einige dort würden viel geben dürften sie mehr lernen oder würden sich sogar darauf freuen.
Aber selbst diese Spezialität ist keine. Will ich selbst denn jeden Tag arbeiten gehen oder habe ich jeden Tag Freude daran? Nein, nie und nimmer – immer mal wieder würde ich gerne einen Tag auslassen. Anderen Teammitgliedern geht es ebenso und Vorgesetzten genauso. Und trotzdem, einige Zwänge sind vorhanden welche mich halt dann doch zur Arbeit bewegen. Somit muss ich auch manchmal einfach machen – vielleicht kommt die Freude ja dann mit der Arbeit; Und auch Lehrer müssen nicht immer Freude an ihrem Beruf haben.
Was allerdings wirklich ein bisschen anders ist als in anderen Berufen ist die Durchmischung. Jeder einzelne Schüler im Unterricht hat sein eigenes Leben, seine eigenen Interessen, verbunden einzig durch die Klassenzugehörigkeit. Bei Gruppen in der Arbeitswelt ist zumindest dies wohl deutlich homogener. Idealerweise haben alle meistens Spass an dem was sie machen und müssen nicht speziell für die eigentliche Arbeit motiviert werden. Ebenfalls sind die Gruppen die lange Zeit zusammen in einem Raum auskommen müssen sehr viel grösser. Meetings mit 20 Personen die länger als eine Stunde dauern sind nach meiner Erfahrung sehr schwierig und sehr ineffizient.
Dies heisst jetzt natürlich nicht, dass alle Lehrer dieselbe Leistung erbringen können. Wie in allen anderen Berufen auch gibt es „Talente“ die die Sache besser im Griff haben und andere. Damit müssen alle umgehen können.
Um eines allerdings kommen alle „Nicht-Lehrer“ wie ich drum herum. Die Auseinandersetzung mit Dritten – ganz konkret mit Eltern. Eltern tendieren dazu (ich glaube, wir können uns beruhigt ausnehmen) die eigenen Kinder als nicht verantwortlich darzustellen für schlechte Leistungen. Das eigene Kind kann das, die schlechte Note ist des Lehrers schuld! Da würde ich wohl sehr rasch die Nerven verlieren – noch eher als mit den Kindern selbst. Es ist meist nicht der Lehrer schuld – Indizien dazu gibt es oft genügend (wenn die Notenverteilung in der Klasse zum Beispiel ganz normal ist….) und Eltern die das nicht glauben wollen wohl auch. Darum beneide ich diese Berufsgattung echt nicht, das stelle ich mir sehr mühsam vor.
Fazit: Lehrer ist ein Beruf mit spezifischer Herausforderung die hoffentlich exakt auf die Herausforderungen passt, welche der Mensch dahinter beruflich gesucht hat. Definitiv wäre ich selbst kein Lehrer, die notwendige Geduld könnte ich eher nicht aufbringen. Dass es Lehrer schwerer hätten als Menschen in anderen Berufen entspricht wohl eher nicht den Tatsachen – mit Ausnahme der Auseinandersetzung mit Eltern!