Projektleiter mit oder ohne Fachkenntnisse – was ist besser?

Nach einem Jahr als „echter“ Projektleiter in Projekten, bei denen es um Dinge geht, die ich in der Vergangenheit in einer Art Mischrolle „technisch ausführender Projektleiter“ gemacht habe, stellen sich ein paar Fragen.

Ich frage mich in erster Linie die zwei folgenden Dinge:

Muss oder darf ein Projektleiter die Materie in der er Projekte leitet verstehen?
Wie viel Härte im Umgang ist angesagt, wie viel administrative Projektleitung ist sinnvoll?

Beantworten (und ich stelle klar, das sind meine persönlichen Meinungen hier und keine wissenschaftlichen Abhandlungen…) will ich zuerst mal die zweite, das erscheint mir deutlich einfacher. Härte – hmm – dass Pläne eingehalten oder begründet nicht eingehalten werden, dazu ist ein Projektleiter da, so viel Administration und Härte muss sein. Ebenso braucht es dazu erst mal einen Plan – auch da keine Frage, braucht es. Ebenso wenig Diskussionen entstehen aus meiner Sicht zum Thema Kontrolle, auch hier braucht es einfach ein paar Dinge, die nicht immer angenehm sind – durchaus für alle Seiten….

Als Antwort also – Härte braucht es im Sinne des Projektauftrages und der Kontrolle – aber nicht zwingend bei der Ausführung. Dies nehme ich jetzt gleich als aus meiner Sicht gelungene Überleitung zum Thema „wie viel Verständnis der Materie“ ist sinnvoll als Projektleiter.

Irgend ein asiatischer Manager (ich glaube das war der von Daewoo) hat mal gesagt, man kann jede Firma managen, egal was sie herstellt. Das war zum Markteintritt bei der Autoherstellung – die danach komplett gefloppt ist und das Management als Schuldiger ausgemacht wurde.

Somit erscheint schon mal klar – und das soll auch gleich meine uneingeschränkte Meinung sein – man muss schon wissen, wovon geredet wird. Wie sonst ist eine sinnvolle Planung oder gar Kontrolle möglich? Wenn ich nicht weiss, wie eine reife Tomate aussieht kann mir ein schlauer Bauer grüne Tomaten verkaufen und mir sagen, die sind reif. Aber wie weit soll denn das gehen? Genügt es, wenn ich weiss, dass eine reife Tomate rot sein sollte?

Selbst habe ich technische Umsetzungen im Bereich der IT Sicherheit gemacht und grössere Projekte in leitender Funktion umgesetzt, inklusive vieler Konfiguration, Anpassung, organisatorischen Anpassungen usw. Somit ist „das grosse Bild“ für mich problemlos zu erfassen. Und genau da kommt jetzt mein Problem. Mit genau diesem grossen Bild sollte ich in der Lage sein, ein Projekt zu leiten und zu kontrollieren. Das bedeutet – eine rote Tomate ist halt reif, ich weiss, die sollte rot sein. Von der neuen gelben Sorte habe ich noch nichts gehört, für das grosse Bild ist das aber egal. Ich will reife Tomaten, ob die rot oder gelb sind kann mir ein Experte sagen, da sollte ich dann auch nichts mehr hinterfragen.

Allerdings interessiert es mich halt, ob es wirklich Tomaten gibt welche in reifem Zustand gelb sind, deshalb mache ich mich mal abends oder so mit Google zusammen auf die Suche und stelle fest – gelbe sind reif, eignen sich aber nur zum Kochen, wir wollten aber einen Salat machen. Die Aussage „es gibt eine reife Tomate“ ist also korrekt und müsste mir als Projektleiter auch genügen. Mein Interesse an den gelben Tomaten steht aber im Weg weil ich die Eigenschaften der gelben aus reinem Eigeninteresse auch kennen möchte.

Wieso soll das nun ein Problem sein – ist doch gut hat einer bemerkt, dass die reifen Tomaten zwar da sind, aber trotzdem unbrauchbar? Es stellt in jeder Situation implizit einen Angriff auf die Kompetenz der Experten dar, was nicht sein dürfte. Es ist aus meiner Sicht sehr schwierig, nur als „Challenger“ dazustehen und nicht mit dem Wissen etwas anzustellen. Was mache ich wenn ich sicher bin, dass die gelbe Tomate nur gekocht geniessbar ist, mir der Experte aber weiterhin sagt, die reife Tomate ist richtig?

Ich stehe mir in diesem Punkt eher selber ein bisschen im Weg, manchmal wäre besser einfach die gelbe Tomate als „Lieferobjekt reife Tomate“ zu akzeptieren als zu hinterfragen. Notfalls gibt es dann halt Pasta mit Tomatensauce an Stelle eines Caprese – alles eine Frage des Scopes den man dann im besten Fall wieder auf den Auftraggeber schieben könnte (…gefragt war eine reife Tomate – dass ihr da Caprese machen wollt habt ihr uns nicht gesagt – gut, wir haben es gewusst, aber…..)…..

Fazit: Ja, es ist von grossem Vorteil wenn ich als Projektleiter etwas von der Materie der Projekte verstehe, allerdings ist das sehr schnell zu viel des Guten. Die Abgrenzung des Projektleiters zu den Experten im Detail ist schwieriger – ohne Wissen wäre diese gar überhaupt nicht notwendig. Die Energie welche in solchen Situationen unter Umständen verbraucht wird, ist nicht zielführend und oft emotional. Trotzdem bin ich überzeugt, erfolgreicher kann man als PL sein wenn man weiss, was in dem Projekt gemacht wird….

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4 Kommentare

  1. Philipp sagt:

    Ich frage jetzt mal nach, Fachwissen in Projektleitung?

    Für mich ist seit langem klar, dass es nur zwei Arten Projektleiter gibt:

    1. Der Projekt Management Profi mit Fachwissen in Projekt Management und zu erarbeitender Ahnung dessen, was sein Projekt inhaltlich wie erreichen sollte.

    2. Der Profi bezüglich dessen, was sein Projekt wie inhaltlich erreichen sollte und zu erarbeitender Ahnung wie Projekt Management eigentlich funktionieren könnte. Dieser Typ ist immer gleichzeitig auch sein bester Mitarbeiter im Projekt (weshalb er auch noch kein Projekt Management Profi geworden ist).

    Beim Projekt Management Profi erkennt man, dass man mit Ihm gut gefahren ist, wenn er bis zur Realisierungsphase bezüglich Projektinhalt ein Verständnis aufgebaut hat und er Lieferobjekte gegen den Projektauftrag plausibilisieren kann.

    Beim Typ „bester Mitarbeiter“ erkennt man, dass man gut mit Ihm gefahren ist, wenn er bis zur Realisierungsphase bezüglich Projekt Management ein Verständnis aufgebaut hat und begonnen hat seine Mitarbeiter zu führen.

    Es geht also eigentlich um die Frage, ob es für das Projekt aussichtsreicher ist, einem People Manager Fachwissen einzutrichtern oder einem Fachspezialisten People Management zu verabreichen.

    Aber um auf die Situation mit den Tomaten zurück zu kommen. Deshalb steht im Projektauftrag immer eine positive und eine negative Abgrenzung des Projektziels.

    Es gibt Pasta mit Tomatensauce. Die Tomatensauce ist aus reifen Tomaten. Die Tomaten sind rote Tomaten und nicht gelbe Tomaten.

    In die Einigung der Stakeholder, ob Cappelletti, Conchiglioni, Farfalle, Fettuccine oder Spaghetti und ob „lice“ oder „rigate“, mischt sich nur der „beste Mitarbeiter“ ein.

    1. Ciao – vielen Dank für die fast binäre und doch schön trenn-unscharfe Definition der Projektleiterrolle, der ich ohne weiteren Kommentar zustimme (natürlich könnte man stundenlang über die Unschärfen diskutieren, dazu benötigt man aber zwingend Rotwein und Augenkontakt).

      Sehr schön finde ich den aufgenommenen Vergleich mit den Tomaten und der Sosse, bei mir kommt es gelegentlich vor, dass die von Dir erwähnte Definition (Abgrenzung) vorhanden ist, dass zum Schluss aber für den Besteller klar ist, dass in eine Tomatensosse Zwiebeln gehören und dass Spezialisten so etwas einfach wissen müssen – ob nun definiert oder abgegrenzt. Im Sinne des Projektleiters egal (Tomatensosse ist geliefert und rot), im Sinne Projekt so ganz allgemein oder Kundenbeziehung eventuell doch schwieriger 🙂

      1. Philipp sagt:

        Hallo Günter – Am Handling der Situation der Zwiebeln trennt sich die Spreu vom Weizen, resp. der Projekt Management Profi vom Senior Projekt Management Profi.

        Der Senior Projekt Management Profi hat vorhergesehen, dass die Sosse eine Tunke ist und nur mit etwas „Geschmack“ zu einer Sauce würde. Deshalb hatte er die Pasta mit Tunke positiv und negativ abgegrenzt, pauschal verkauft.

        Für die Zwiebel-Situation gibt es im Projekt Management Change Requests. Die werden in einer separaten Sauciere geliefert und auch separat nach Gewicht und Schärfe (Menge u. Komplexität) abgerechnet. Ganz nach dem Motto die Pasta mit Tunke kostet CHF 14.95 und mit „ohne Scharf“ kostet CHF 16.95 zusätzlich.

        Der Kunde ist zufrieden eine fade Sosse zu erhalten, die er dann mit nochmals etwas „Geschmack“ zu seiner Leibspeise ergänzt, und der Senior Projekt Management Profi ist schon auf dem Sprung zu Partner. Win-win eben.

      2. 🙂 -deshalb ist die Diskussion müssig, damit das geht, ist der Projektleiter in der Sache höchst kompetent (wie könnte er sonst wissen, dass Zwiebeln CHF 2.– kosten in diesem Menu) und ein Account Manager dazu -> und genau in diese Richtung geht das wohl tatsächlich – eine ausgeprägte Stärke und viel zusätzliches Wissen macht den Senior wohl aus – und viele Projekte die organisatorisch mies gelaufen sind damit man weiss, was man beim nächsten Mal nicht mehr falsch machen will – auch das macht ja die Seniorität aus….. so, alles weitere nur noch mit Wein :-)!

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