Muss ich mich als Schweizer jetzt schämen?

Die Schweizer haben entschieden! Über 50% des Volkes hat gestern bei einer sehr hohen Stimmbeteiligung per Volksabstimmung bekannt gegeben, dass sie bei einem der Grundrechte der EU nicht mehr mitmachen wollen, dem freien Personenverkehr. Ich bin da einig mit vielen Leuten – würden man diese Möglichkeit in den EU Staaten haben wären die Resultate teilweise wohl viel deutlicher als hier in der Schweiz. Schämen werde ich mich nicht dafür, aber verstehen werde ich den Sieger-Teil des Schweizer Volkes in dieser Frage auch nicht.

Aber wie konnte es so weit kommen – für mich ein komplett unverständlicher Entscheid der uns das Leben mit einigen unserer wichtigsten Handelspartner deutlich erschweren wird. Es war wohl ein politischer Klassiker – Ausländer machen uns alles kaputt, nehmen uns die Stellen weg, werden die Schweizer irgendwann aus unserem eigenen Land vertreiben.

Eine starke und in ihrer Kommunikation einmal gemässigte Rechtspartei (Schweizerische Volkspartei) hat sehr viele Menschen an die Urnen locken können. In gewissen Gemeinden in denen diese Partei stark ist kam es zu Stimmbeteiligungen von über 70% – was in der Schweiz ein extrem hoher Wert ist. Auch die Stimmbeteiligung über alles war sehr hoch mit 56%. Die Frage hat also den Leuten zu denken gegeben.

In einem solchen Fall sieht man vielleicht die Arroganz der Gegner in diesen Diskussionen. Die Verbände und die Links Parteien. Alle haben – für mich wahrnehmbar – nur vom extremen Fachkräftemangel, der auf uns zukommen wird gesprochen. Und dabei wurde keine andere Lösung als „Ausländer“ präsentiert, auch nicht langfristig. Sollten wir Schweizer das Problem nicht versuchen, anders anzugehen? Gibt es wirklich keine Möglichkeiten, bei uns in der Schweiz Fachkräfte auszubilden und in die Positionen zu bringen? Oder sind wir einmal mehr nach innen zu bescheiden und glauben, dass Ausländer das auf jeden Fall besser machen?

Viele Fragen, auf die ich auch keine Antworten habe und für die es sicherlich auch keine kurzfristigen Lösungen gibt. Aber dass sich die Schweiz den Reichtum mit ausländischen Fachkräften sichern muss macht auch mir ein wenig Angst. Mein Nein in der Abstimmung kam anders zu Stande – das kam natürlich daher, dass wir innerhalb der für uns unumgänglichen EU einmal mehr versuchen, von den guten Seiten zu profitieren und die „Nebenwirkungen“ auszublenden. Ich bin der Meinung, dass das so nicht funktioniert – ein bisschen mit gegangen mit gehangen braucht es halt manchmal.

Was sicher nicht geht ist die „Hoffnung“ einiger Schweizer auf eine „massvolle Umsetzung“ – was soll das auch bedeuten. Entweder wir beschränken oder wir beschränken nicht – jede Beschränkung ist „nicht massvoll“ sondern verletzt EU-Grundsätze. Massvoll würde ja wohl nach Industrieverbänden bedeuten, dass alle Zuwanderung zugelassen wird, welche hier oder dort mit Personalbedarf zu rechtfertigen ist – aber so will es seit gestern das Volk nicht mehr und die SVP wird das nicht zulassen.

Dazu noch was – schon gestern hat man nun von der Volkspartei wieder Töne gehört wie „Verantwortung übernehmen“ oder „Änderung im Bundesrat“. Ich glaube nicht, dass die Schweiz jetzt wirklich eine rechtsgelagerte Regierung will (ein bisschen hoffe ich das auch). Dies wird von der Partei aber so interpretiert – was schade ist. Die Abstimmung ging mit 0.4 Prozentpunkten an sie, da kann man sagen mehr als die Hälfte der Schweizer waren dafür (knapp unter 20‘000 waren das) – aber man kann auch sagen dass nahezu die Hälfte dagegen war. Politisch klare Abstimmung müssen sich aus meiner Sicht mit ca. 10%-Punkten unterscheiden – mindestens.

Fazit: Der von der aktuellen Regierung eingeschlagene, aus meiner Sicht gangbare, Weg ist nicht mehr möglich. Ein Umdenken und langwierige und schwierige Diskussionen mit der EU stehen der Schweiz bevor. Ich hoffe, dass man die wirtschaftlich guten und extrem wichtigen Beziehungen aufrechterhalten kann. Dass sich „die Schweizer“ einigeln wollen kann man so sicher nicht sagen, das zeigt das äusserst knappe Resultat. Jetzt kommt wieder die ewige Leier der SVP, dass sie als stärkste Partei in der Schweiz usw…… darauf freue ich mich auch gar nicht. Während dem bei der EU jetzt alles etwas Zeit brauchen wird, haben wir die „wir sind die Grössten“ Geschichte per sofort….. Schämen werde ich mich also definitiv nicht dafür, solche Dinge sind Teil einer echten Demokratie bei der es für jedem einzelnen eben auch heisst „mitgegangen – mitgehangen“. Ich unterstütze alle die nun versuchen unter Einhaltung dieser Vorgaben eine Lösung zu finden.

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3 Kommentare

  1. Renato Testa sagt:

    s/mix koppelt/mit doppelt/ Tschuldigung

  2. Renato Testa sagt:

    Die Regierung hat die Pfz mix koppelt falschen Zahlen dem Bürger schmackhaft gemacht. Das Fazit sind 550’000 Zuwanderer seit Einführung der Pfz. Demzufolge ist es schon etwas blauäugig zu behaupten der Entscheid sei komplett unverständlich. Ich glaube nicht das sich die Ja-Stimmer der Initiative abschotten wollen. Aber es ist Tatsache das die Pfz aus dem Ruder gelaufen ist.
    Und, die Drohungen des Unterganges, wurden den Gegnern nicht mehr abgekauft.
    IMHO hat nicht die SVP gewonnen sondern die Regierung, Verbände und die Wirtschaft hochgradig versagt und nun die Quittung bekommen. So legt ja die SVP nun den BR in die Pflicht. Fertig mit schönrederei, jetzt muss mit offenen Karten gespielt werden und das ist vielleicht gar nicht schlecht so.

    1. ….dass die Befürworter verloren und nicht die SVP gewonnen hat sehe ich durchaus auch so – vielleicht kommt bei mir das nicht so rüber weil ich eher kein SVPler bin….. 🙂

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