Ich war heute an einer Hochzeit eingeladen an welcher zwei Männer mit zwei Gitarren, zwei Stimmen, einem Saxophon und einer Querflöte Musik gemacht haben. Sehr eindrücklich wurde mir dabei einmal mehr bewusst, dass die gesamten Diskussionen über die „Wiedergabequalität“ von Musik oder die Qualität von herunter geladenen Liedern im Prinzip alles Diskussionen auf niedrigstem Niveau darstellen.
Ich hatte früher sehr viel Wert darauf gelegt (und Geld ausgegeben dafür) dass meine Hifi-Anlage richtig gut klang. Auch heute noch braucht es dafür mehrere tausend Franken – für den wirklich guten Klang. Ob nun in Surround oder in Stereo. Aber was fällt auf? Ich habe viele Testberichte gelesen früher und was stand da, wenn eine Anlage mal WIRKLICH gut war „es klang als wäre man live dabei……“. Wir geben also hunderte und tausende von Franken aus, damit wir etwas erhalten was „fast wie live“ sein kann.
Ich stelle hier die These auf, dass „fast live“ unglaublich weit weg ist von tatsächlich live. Vor zwei Jahren war ich in einer Waldhütte in der Tanja Dankner gespielt hat. Ich hatte vorher fast keines Ihrer Lieder gehört, gespielt hat sie mit zwei Kollegen – meist eine Gitarre als Begleitung und es war MEGA. Die Lieder, die ich jetzt ja kenne zu Hause gehört sind – na ja, wie vorher, ich weiss, wieso ich es eigentlich nicht gehört habe, es gefällt mir halt einfach nicht so richtig.
Genau so würde es sich auch bei der Hochzeit heute verhalten – ich bin mir ziemlich sicher, ich würde die Aufnahme dieser Lieder nicht auf meine Playlist setzen, aber zusammen mit dem tollen Ereignis, der allgemein herrschenden Stimmung war das alles einfach perfekt.
Die Situationen, die Nähe, die Intensität – ich bin überzeugt dass genau diese Dinge, welche man unmöglich nach Hause bringen kann, das letzte Quäntchen ausmachen um gute (oder eben auch weniger gute) Musik zu einem Erlebnis werden zu lassen. Es gibt Gerüche ringsum, es gibt Stimmungen, vielleicht hat man sich schön gemacht, um an ein Konzert zu gehen, vielleicht wird es von guten Freunden organisiert – all das lässt uns wieder an die Grundaufgabe der Musik denken, wenn sicherlich auch unterbewusst. Die Musik dient nicht dazu, bei uns Stimmungen zu generieren, sondern um diese Stimmungen zu verstärken! Bei mir ist ganz klar, dass ich bei schlechter Laune Blues oder Jazz höre (einmal stimmungsmässig unten durch bitte….) und bei guter Laune auch fröhliche Musik.
Hand aufs Herz – mit einer Clique im Aprés Ski – wer findet Wolfgang Petri dort nicht g….?? Gegenfrage, hört sich irgendjemand zu Hause (am besten mit einem Kater nach dem Cliquenabend ;-)) Wolfgang Petri an? Der steht hier natürlich als Stellvertretung für all die Musik, die ich nie hören würde, die aber in der richtigen, die Stimmung verstärkenden Situation einfach nur gut ist. Dort ist dann auch die Qualität sogar egal – ob live oder ab Konserve, ob in Top Soundqualität oder dröhnend in einer Ecke des Lokals.
An der Hochzeit meiner Frau haben wir ein Lied laufen lassen, welches wir beide jetzt nicht SO den Hit fänden – wäre er nicht in einem sehr speziellen und eben „richtigen“ Moment gelaufen. Bis heute bewirkt das Lied etwas, wenn es zufällig mal wieder im Radio läuft. Ich weiss nicht, es wäre wohl absolut unglaublich dieses Lied live hören zu dürfen! An meinem 40-igsten Geburtstag hatte ich 8 Sängerinnen angestellt, welche für mich ein paar Lieder ohne Begleitung sangen – einfach nur toll, eigentlich gar nicht zu bezahlen. Oder wer kennt Sie nicht, die Moment in welcher in einer Kirche das Ave Maria (welches in der Kirche ja zu mehr oder weniger allen Anlässen gespielt wird…) auf einer Geige oder Flöte gespielt wird – wer kriegt keine Gänsehaut, keine Tränen??
Natürlich gibt es in der Zwischenzeit viel Musik – vor allem elektronische Musik – welche nicht mehr auf „Live“ ausgelegt ist, welche sich nicht inszenieren lässt – auch dort werden oft Gefühle verstärkt, der Tanzdrang erhöht und so weiter. Aber die Gefühle welche „ehrliche“, akustische Musik live auszulösen vermag – weit weg ist man da.
Weder verurteile ich das Eine noch vergöttere ich das andere – einfach jedes Mal wenn ich Musik mehr oder weniger akustisch (dazu zähle ich ein Rockkonzert durchaus, ein Popkonzern – müsste man schon wieder diskutieren…) im „richtigen“ Moment anhören darf denke ich – genau darum geht es, darin liegt das Besondere, das Richtige an Musik.
Trotz dieser nicht weiter erstaunlichen Erkenntnis werde ich weiterhin versuchen zu Hause eine vernünftige Klangqualität zu erreichen – „fast wie live“ ist dann halt doch viel besser als „gar nicht“ ;-)!
Nebenbei, während des Apéros ist der eine Musiker mit seinem Saxophon einfach so durch die Gesellschaft spaziert und hat gespielt – Gänsehautfeeling! -> gut, es war draussen und bei unter 10 Grad war die Gänsehaut wohl nicht bei allen auf die Musik zurück zu führen!
Noch kurz zu Musikern – ich glaube auch diese haben natürlich einen wahnsinnigen Anteil daran, dass Musik live gut oder schlecht rüber kommt…..??? Stimmt das wirklich? Ich bin mir echt nicht ganz sicher – ich glaube, man verzeiht solchen Musikern in der richtigen Situation so einiges an Ungenauigkeiten usw – auf Tonkonserve allerdings gar keine mehr. Deshalb auch all das überproduzierte Pop-Gedöns – vieles davon wird von Computern und Produzenten „entworfen“ und „getextet“ – ich finde das Wort komponiert in dem Zusammenhang oft etwas übertrieben – und danach wirklich perfekt eingespielt. Durch die hervorragende technische Ausführung wird danach so einige Mittelmässigkeit auch erträglich! Nebenbei bemerkt, als technisch wirklich hervorragende Band gilt Slayer (wenn in der Zwischenzeit auch nicht mehr komplett) – einige würden auf diese Weise erklärt mir vielleicht eher zustimmen, dass Technik allein nicht unbedingt Emotionen auslösen kann…..